Dienstag, 7. September 2010

Sarrazin und die Kündigung

In unserem überregulierten Land gibt es tatsächlich Fallgestaltungen für die keine gesetzliche Regelungen vorliegen. So verhält es sich bei der Causa "Abberufung von Thilo Sarrazin".
Zunächst: der Vorstand der Deutschen Bundesbank hat beim Bundespräsidenten die Abberufung von Sarrazin als Mitglied des Vorstandes beantragt. Dieser Akt betrifft lediglich den Status als Vorstand – der (öffentlich-rechtliche) Dienstvertrag, Laufzeit bis 2014 – müsste zusätzlich beendet werden.
Für beide Maßnahmen gibt es keine Rechtsgrundlage und was machen fast alle Juristen und Politiker, wenn Sie ein gesetztes Ziel erreichen wollen? Sie suchen nach Konstruktionen und versuchen, damit durchzukommen. Möglicherweise gibt es eine vergleichsweise Einigung – im Zweifel (aus Steuermitteln) teuer erkauft.

Der nun eingeschlagene Weg, dass Herr Dr. Thilo Sarrazin vom Bundespräsidenten seines Vorstandsamtes enthoben werden soll, steckt nicht nur voll Rechtsunsicherheiten, sondern auch voller Unsicherheiten der ausführenden und beteiligten Instanzen: Die Bundesbank zögerte, das Bundespräsidialamt bat unmittelbar nach Eingang des Entlassungsantrages die Bundesregierung um eine Stellungnahme. Kurz: der Ball wird weiter gespielt und möglicherweise ins Aus. Denn die klaffende Lücke in dem Gesetzeswerk für die Bundesbank, dem Bundesbankgesetz ist offenbar keine sog. planwidrige, sondern eine planvolle. Das ergibt sich – wenn man sich einmal die Mühe macht, aus den sog. Materialien/der Begründung des Gesetzes. Die Bestellung der Vorstandsmitglieder ist geregelt, nur wird man sie nicht wieder los.
Was ist geregelt? Die Tatsache, dass die Vorstandsmitglieder in einem Öffentlich-Rechtlichen Amtsverhältnis zu unserem Staat stehen. Mehr noch – ihnen wird ein Unabhängigkeit zuteil, die sie den Richtern ähnlicher als den Beamten macht. Damit steht schon einmal fest, dass nicht das (zivilrechtliche) Arbeitsrecht, sondern das Öffentliche-Recht zu bemühen ist. Und das fängt schon einmal – ebenso wie die ersten Vorlesungen im Öffentlichen Recht – damit an, dass für jeden Eingriff des Staates in Rechte der Bürger eine Eingriffsermächtigung notwendig ist. Es fragt sich, wo dieser sog. Vorbehalt des Gesetzes deutlicher ins Leere laufen kann als in der Causa Sarrazin…

Der nun nach freier Schöpfung gewählte Weg des Abberufungsantrages beim Bundespräsident folgt also nicht dem Gesetz sondern einem Gedanken, der zunächst nicht allzu fernliegend erscheint:
So wie er gekommen ist, so soll er gehen.
Der Jurist nennt das "actus-contrarius" und wendet ihn gerne einmal für offene Zuständigkeitsfragen an. Nur: hier geht es um die (formale) Zuständigkeit hinaus um einen erheblichen Eingriff und da reicht ein Lehrsatz wie gesagt nicht aus, oder:
Die Geister die ich rief…

Der Bundespräsident steht nun in einem Dilemma: wenn er die Abberufung nicht vollzieht, leidet sein Ruf und die Bundesbank hat ein Problem. Wenn er abberuft, gehe ich von einem für Sarrazin spannenden Prozess aus – aus meiner Sicht kann da ein Exit nur so aussehen, dass sich Herr Sarrazin mit einer deftigen Abfindung und der weiteren Gehaltszahlung bis zum Ablauf des auf das Jahr 2014 befristeten Vertrages zufrieden gibt.

UPDATE 10. September 2010:
Die vorbeschriebene vertrackte Situation ist mit einer einvernehmlichen Regelung gelöst worden: Sarrazin hat nun den Bundespräsidenten Wulff gebeten, ihn von seiner Aufgabe als Vorstand der Bundesbank zu entbinden. Dafür hat die Bundesbank ihren Abberufungsantrag beim Bundespräsidenten und auch Äußerungen über das Verhalten Sarrazins als Vorstand relativiert: Die ursprüngliche Kritik zu Sarrazins Auftreten ist verflogen und jetzt heißt es: „Der Vorstand der Deutschen Bundesbank dankt Herrn Dr. Sarrazin für die von ihm als Mitglied des Vorstands geleistete Arbeit.“ Thilo Sarrazin erhält genau die Pension, die er bekommen hätte, wenn er regulär bis zum 30. April 2014 im Amt geblieben wäre.
So sieht ein Exit aus, wenn alles andere noch peinlicher total peinlich geworden wäre – peinlich auch für den Bundespräsidenten, dessen Bundespräsidialamt sich nach Berichten von Spiegel Online (www.spiegel.de) aktiv in die Verhandlungen eingeschaltet hat. Ein goldener Handschlag – bekannt aus der Praxis in der freien Wirtschaft; eine bittere Pille, wenn – wie hier – hierfür der Steuerzahler aufkommen muss.

1 Kommentar:

  1. Tja, da hat man eine unliebsame Person auf einen Ort abgeschoben, wo er auf den ersten Blick keinen Unfug mehr anrichten kann ... und das hat man nun davon.

    Lehrbeispiel!

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